Im Vorfeld des Internationalen Tages gegen Prostitution: Die europäischen Politiken zur Regulierung von Prostitution innerhalb der EU-Staaten basieren auf zwei gänzlich unterschiedlichen Ausgangskonzepten und variieren daher stark: So finden wir das sogenannte Nordische Modell in Schweden, Irland, Frankreich und Spanien. Und die Liberalisierung der unterschiedlichen Facetten der Prostitution in den Niederlanden, Österreich, Deutschland und Belgien.
Die Mehrheit des Europäischen Parlaments und ich stehen klar auf der Seite des Nordischen Modells. Das Europäische Parlament spricht hier eine deutliche Sprache. Prostitution ist grundsätzlich als ein inhärent gewalttätiges, rassistisches und sexistisches System zu sehen, dem die meisten Menschen aus purer Alternativlosigkeit zum Opfer fallen. Wir kämpfen für die Reduzierung der Nachfrage, vom Werbeverbot bis zur Freierbestrafung. Für die Mehrheit der Menschen in der Prostitution ist es weder Sex noch Arbeit. Darüber kann auch die kleine Gruppe der Menschen, die dies scheinbar freiwillig ausüben, nicht hinwegtäuschen. Vielmehr sehen wir Prostitution als Gleichstellungshemmnis, das die Befriedigung von Männern über die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen stellt.
Genauso wie Gewalt gegen Frauen keine Privatangelegenheit ist, betrifft Prostitution auch eine ganze Gesellschaft. Wir müssen uns vom Pretty Women-Gedanken befreien. Prostitution ist Gewalt gegen Frauen - direkt und indirekt.
Befürworter der Liberalisierung hingegen glauben, alle Menschen befänden sich dort freiwillig und versuchen mit Arbeitnehmer:innenrechten die Situation der Frauen zu verbessern. Dabei wissen wir, dass das für die Mehrheit der Betroffenen schlicht falsch ist.
Zudem wissen wir durch OSZE und Europol Berichte, dass die Liberalisierung die Nachfrage vergrößert und damit den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung anheizt. Wir erlauben es dadurch, dass Menschhändler die legalen Infrastrukturen, also Bordelle in Ländern wie Deutschland oder Belgien, als Deckmantel für ihre kriminellen Machenschaften nutzen und dass Opfer dort gänzlich unentdeckt bleiben. Zahlreiche Frauenrechtsorganisationen in der EU und darüber hinaus prangern dies bereits seit Jahrzehnten an.
In der EU und weltweit sind rund 70 Prozent der Menschen in der Prostitution Migrant:innen und kommen aus besonders prekären Verhältnissen. In manchen EU-Staaten, wie Österreich oder Deutschland, stellen sie sogar eine noch größere Gruppe. Diese Menschen befinden sich nicht aus freiem Willen in der Prostitution, sondern aus Perspektiv- und Alternativlosigkeit. Die Mehrheit der Menschen in der Armuts- und Elendsprostitution sind zudem Frauen, die Mehrheit der Käufer Männer. Das System der Prostitution ist also durch und durch sexistisch und rassistisch. Und genau deshalb fordert das Europäische Parlament auch am heutigen Tage eine europäische Herangehensweise, die Frauenrechte, den Schutz vor Gewalt und Gleichstellung in den Mittelpunkt stellt.
Wir müssen endlich konsequent die Nachfrageseite angehen und drastisch reduzieren. Dabei müssen die Taten der Freier und Zuhälter im Fokus stehen, um das System von Gewalt und Ausbeutung zu beenden, in das Frauen in und außerhalb der EU nach wie vor täglich hineingezogen werden. Das muss endlich auch in Deutschland ankommen!