Das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada, kurz CETA, wird am 15. Februar 2017 in Straßburg vom Europäischen Parlament abgestimmt. Ohne die Zustimmung der Europaabgeordneten wird das umfassende Freihandelsabkommen nicht in Kraft treten können.
Wir SozialdemokratInnen haben uns mit dem Text des Abkommens ausführlich beschäftigt und die möglichen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft analysiert. Für mich ist nach dieser Analyse klar, dass CETA ein Risiko für unsere kleinbäuerliche, multifunktionale Landwirtschaft darstellt und in Fragen des Investitionsschutzes und der öffentlichen Daseinsvorsorge meinen Ansprüchen an ein Handelsabkommen zwischen zwei modernen Demokratien nicht gerecht wird.
Landwirtschaft in CETA
CETA erhöht den Druck auf bäuerliche Familienbetriebe. Weitere Konzentration auf wettbewerbsfähige Großbetriebe erzeugt massive Umweltprobleme. Deutschland drohen bereits jetzt Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe wegen eines langjährigen Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie. Im Einzelnen sehe ich folgende Punkte kritisch:
Der Sortenschutz von Pflanzensorten würde durch CETA auf Basis des „Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen“ (UPOV) auf Kosten der Interessen der Landwirte gestärkt (Kapitel 22 „Geistiges Eigentum“ Artikel 12 Pflanzenzüchtungen). Dadurch würden Nachbaurechte und die Vermarktung von Saatgut von Landwirten weiter eingeschränkt. Deutsche Landwirte verwenden traditionell einen Teil ihrer Ernte als Saatgut. Dafür wäre seit einigen Jahren eigentlich eine Gebühr fällig, die aber tausendfach verweigert wird. Nun könnte eine neue Klagewelle drohen.
Laut CETA-Vertrag hat Kanada der EU im Milchsektor zusätzlich eine neue zollfreie Importquote für 16.800 Tonnen Käse und für 1.700 Tonnen Industriekäse zugestanden. Die bisherige Quote beläuft sich auf 13.472 Tonnen. Dadurch hat sich die Quote für Käse auf 31.072 Tonnen verdoppelt. Es wird erwartet, dass von dieser Quotenregelung die großen europäischen Molkereien und Spezialitäten-Käse-Hersteller profitieren werden. Für die europäischen Milchbäuerinnen und -bauern birgt das Abkommen keine wirtschaftlichen Potentiale. Vielmehr müssen diese durch eine Erhöhung der Rindfleischimporte aus Kanada mit niedrigeren Einnahmen aus dem Schlachtkuh- und Kälberverkauf rechnen. Die kanadischen Milcherzeuger würden durch CETA insgesamt 7,7 % ihres derzeit ausgewogenen nationalen Käsemarktes verlieren. Das entspricht einem ungefähren Verlust von 100 Millionen Euro pro Jahr.
Auch der europäische Rindermarkt befindet sich aktuell unter Druck. Kommissar Phil Hogan sah sich sogar gezwungen, ein 15 Millionen schweres Werbepaket für einen höheren Rindfleischkonsum aufzulegen. Der CETA-Vertrag sieht vor, dass Kanada in die EU mehr hormonfreies Rindfleisch zollfrei einführen darf. Dies wird zukünftig zusätzlich Rindfleisch-Exporte im Wert von 400.000.000 Euro nach Europa möglich machen. Es ist schwer nachzuvollziehen, warum zusätzliche Zollquoten für Rindfleisch freigegeben worden sind. Der Selbstversorgungsgrad der EU für Fleisch wurde zuletzt 2014 auf rund 106 % geschätzt.
Durch CETA werden die Rahmenbedingungen für Rechte am geistigen Eigentum in Kanada und der EU einander angeglichen. Einigen landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit geografischen Angaben wird in CETA ein besonderer Status und Schutz auf dem kanadischen Markt zugestanden. Dazu gehören beispielsweise die Käsesorten Gran Padano und Roquefort oder Kalamata-Oliven etc. Auch dürfen bestimmte Produkte erstmals auf den kanadischen Markt (Prosciutto di Parma u.a.). Das Abkommen sieht vor, dass die Liste später erweitert werden kann. Leider wurde von EU-Seite kein besserer Schutz der europäischen Angaben vor kanadischen, ähnlich klingenden Produktnamen durchgesetzt. Am Markt „etablierte“ kanadische Produkte (also alle, die es vor dem CETA-Abkommen schon gab) dürfen auch weiterhin Feta, Gorgonzola, Fontina, Asiago oder Munster heißen. Bei neuen Produkten dürfen die Namen weiterhin „anklingen“. Die Bezeichnung „Black Forest Ham“ und „Bayerisches Bier“ sind für kanadische Produkte ebenfalls weiterhin erlaubt.
Investitionsschutz
CETA sieht im Gegensatz zu den bisher üblichen Freihandelsabkommen ein internationales Gerichtssystem für Investitionsstreitigkeiten vor. Leider sind zentrale Fragen weiterhin offen. Wichtige Aspekte des Verhaltenskodex zur Sicherstellung der Unabhängigkeit der Schiedsrichter werden noch erarbeitet. Zudem können durch unbestimmte Rechtsbegriffe, wie etwa „faire und gerechte Behandlung“, Investitionsschutzklagen begründet werden. Nach wie vor stellt sich auch die Frage, ob ein Investitionsschutz in einem solchen Abkommen überhaupt vereinbart werden muss. Sowohl Kanada als auch die Europäische Union sind unabhängige Rechtsstaaten. Investitionsschutz kann ein wichtiges Instrument in Abkommen mit Handelspartnern sein, die kein unabhängig funktionierendes Rechtssystem besitzen. Bei CETA führt es zu einer nicht zu rechtfertigenden Paralleljustiz und zu einer Besserstellung von finanzkräftigen, ausländischen Investoren gegenüber inländischen Investoren, dem Mittelstand und der Zivilgesellschaft.
Öffentliche Daseinsvorsorge
In CETA hält eine Negativliste fest, welche Dienstleistungsbereiche liberalisiert werden sollen. Das heißt, dass alle Bereiche der Daseinsvorsorge expliziert aufgeführt werden müssen, die nicht liberalisiert werden sollen. Klar ist leider nicht, ob tatsächlich alle Bereiche der Daseinsvorsorge ausgenommen sind oder nicht. Die Bereiche der Daseinsvorsorge, die schon früher (teil-)privatisiert wurden, haben zudem einen schwächeren Schutzstandard. Das heißt, dass Re-Kommunalisierungen oder Re-Verstaatlichungen von einmal privatisierten Bereichen der Daseinsvorsorge möglicherweise Investitionsschutzklagen zur Folge haben.
Arbeitnehmerrechte
Das Freihandelsabkommen legt fest, dass Handelsziele nicht den Arbeitnehmerschutz unterlaufen dürfen. Leider wird diese Forderung nicht mit einer konkreten Sanktionsmöglichkeit unterlegt. Die EU-Kommission will dazu noch einen entsprechenden Mechanismus entwickeln. Wann dieser fertig sein soll und welche Verbindlichkeit er für das Handelsabkommen hat, bleibt weiterhin offen.
Zusammenfassung
Das CETA-Abkommen würde im landwirtschaftlichen Sektor zu einer klaren Tendenz führen: Der Fokus läge auf Quantität, nicht auf Qualität (Produktqualität, Tier- und Umweltschutz). Dies führt zu einem verstärkten Druck auf die europäische, kleinstrukturierte Landwirtschaft und ihren Betrieben, die wir aus Sorge um unsere Kulturlandschaft, für den Erhalt der Sozialstrukturen im ländlichen Raum, für den Schutz unserer Umwelt und unseres Trinkwassers, erhalten wollen. Zudem gibt es eine berechtigte Sorge um die Einhaltung von Menschenrechten (Zugang zu Saatgut als Menschenrecht).
Des Weiteren lässt das Abkommen zentrale Fragen nach wie vor offen: beim Investitionsschutz, der öffentlichen Daseinsvorsorge oder den Arbeitnehmerrechten. Auf eine nachträgliche Ausgestaltung der EU-Kommission im Sinne eines progressiveren Handelsabkommens möchte ich mich aber nicht vertrösten lassen.
Vor diesem Hintergrund werde ich daher gegen das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada stimmen.