Während ich mich noch rechtlich beraten lasse, welche Konsequenzen meine Unterschrift unter der Sicherheitsunterweisung mit sich bringen würde, hat sich mein Kollege Dietmar Köster bereits zu einer Unterschrift entschlossen und folgende Erfahrung gemacht:
Dietmar Köster:
Letzten Montag durfte ich nach einer längeren Sicherheitsunterweisung endlich einen Teil der TTIP-Geheimdokumente einsehen. Dazu musste ich eine Sicherheitsunterweisung hier zu lesen (PDF, 100 kB) unterschreiben, nach der mir unter Androhung von Strafe die Weitergabe von Information an unbefugte Dritte verboten wird. Demnach darf ich ausschließlich mit Abgeordneten des Europaparlaments über die Inhalte der Papiere diskutieren.
Auch aufgrund des politischen Drucks der S&D-Abgeordneten hatte die Kommission sich Ende letzten Jahres dazu durchgerungen, einen Teil der Verhandlungsdokumente der EU-Seite für alle Abgeordneten des Europaparlaments freizugeben.
Bevor ich in den Leseraum eingelassen wurde, musste ich mein Handy und alle anderen Unterlagen in einen Metallschrank einschließen lassen. Der Lesesaal ist ein fensterloser Raum in der Größe von ca. 3 mal 3 Metern mit zwei kleinen Tischen. Im Raum stehen zwei Tresore und ein großer Metallschrank. Während der gesamten Lesezeit – mir wurde die Zeit zwischen drei und fünf Uhr nachmittags zugeteilt – saß eine Aufsichtsperson im Raum.
Vorher hatte ich auf einer Liste Papiere angekreuzt, die ich sehen wollte. Thematisch interessieren mich an den TTIP-Verhandlungen besonders die Diskussionen um öffentliche Ausschreibungen der Kommunen. Ich will insbesondere herausfinden, welche Auswirkungen TTIP auf die kommunale Daseinsvorsorge hat. Dass US-amerikanische Unternehmen daran ein großes Interesse haben, sieht man am Beispiel Dortmund: Hier werden jedes Jahr 500 Millionen Euro im Rahmen von Ausschreibungen für Dienstleistungen und Waren ausgegeben.
Mir ist mittlerweile klar, dass auch nach der Einsicht in nur wenige Papiere bei mir keine größere Klarheit über die Interpretation der Texte entstanden ist. Hier wird die Halbherzigkeit der Kommission in Bezug auf TTIP deutlich. Ich muss als Abgeordneter die Möglichkeit haben, alle Dokumente mit Expertinnen und Experten aus den Rechtswissenschaften, der Ökonomie etc. diskutieren zu können. Nur dann kann ich mir ein eindeutiges Bild über TTIP machen. Selbstverständlich haben auch die Bürgerinnen und Bürger Europas ein Recht darauf, sich über die Papiere zu informieren. Daher kann es nur die Forderung geben: Alle TTIP-Dokumente sind der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Hier ein Beispiel für eine wörtliche Textpassage aus einem Dokument, die übersetzt wie folgt lautet:
„Die EU ersucht die Vereinigten Staaten, „alle Stellen der Zentralregierung“ (ungeachtet etwaiger Regierungsumbildungen) und jegliche anderen Stellen, die deren Aufgaben wahrnehmen, stärker in die Pflicht zu nehmen als jene Stellen, die unter Anhang 1 der USA zu dem überarbeiteten Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Government Procurement Agreement – GPA) fallen, darunter auch – aber nicht ausschließlich – sämtliche diesen Stellen untergeordnete Stellen.“
Alles klar?
Ich stelle mir die Frage: Warum werden die Texte so vage formuliert? Missverständnisse sind hier vorprogrammiert. Oder ist es gar Absicht?
Kleine Vorankündigung:
Liebe Leserinnen und Leser, in Kürze könnt ihr hier den Resolutionsentwurf des TTIP-Berichterstatters Bernd Lange auf Deutsch lesen. Heute ist er auf Englisch erschienen!