"Recht auf Gewaltfreiheit ist der Mindeststandard" - Maria Noichl, MdEP & Birgit Sippel, MdEP

10. Mai 2023

Das Europäische Parlament hat heute in Straßburg mit großer Mehrheit grünes Licht für die Ratifizierung der EU-rechtlich relevanten Teile der sogenannten Istanbul-Konvention gegeben. Der Völkerrechtliche Vertrag des Europarats ist das derzeit umfassendste gesetzgeberische Instrument gegen geschlechtsspezifische Gewalt.

Maria Noichl, gleichstellungspolitische Sprecherin der S&D-Fraktion:

„Der effiziente und grenzüberschreitende Kampf gegen Gewalt an Frauen und gegen Femizide scheiterte in der Vergangenheit auch in der EU am politischen Willen. Ein trauriges Symbol dafür war bis vor Kurzem auch die Istanbul-Konvention, deren EU-Ratifizierung durch eine Minderheit an Mitgliedstaaten im Rat jahrelang verzögert wurde.

Nun hat sich der Rat jedoch endlich dazu durchgerungen, die Ratifizierung auch gegen den Widerstand einiger EU-Mitgliedstaaten durchzusetzen und ist damit einer jahrelangen Forderung der Sozialdemokrat*innen Europas nachgekommen.

Als EU setzen wir damit starkes Zeichen: Frauenrechte - und vor allem das Recht auf ein gewaltfreies Leben - sind nicht verhandelbar! Sie gehören zu den Grundwerten der EU und müssen als absoluter Mindeststandard von allen respektiert und umgesetzt werden. Das ist auch ein klarer Fingerzeig an die Regierungen, die blockieren: Bulgarien, Ungarn und Polen.

Nun blicken wir auf die derzeitigen Verhandlungen zu einer eigenen EU-Richtlinie gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Nach ihrer Verabschiedung werden wir dem Ziel ‚Keine Toleranz für Gewalt gegen Frauen‘ ein großes Stück näher sein.“

Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der S&D:

"Auch in der EU schlägt Gewalt gegen Frauen jeden Tag zu. Und das, weil Frauen Frauen sind. Es ist beschämend, dass es den Rat so viele Jahre gekostet hat, um endlich die Ratifizierung der Istanbul-Konvention durch die EU zu beschließen. Doch die Ratifizierung kann nur ein erster Schritt sein. So kritisierte der sogenannte Grevio-Bericht des Europarats im letzten Jahr, dass bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention unter anderem auch in Deutschland noch Lücken existieren. Wir müssen daher mit Argusaugen darauf achten, dass die Konvention mit der Ratifizierung nun auch tatsächlich EU-weit konsequent umgesetzt wird, um Frauen wirksam vor Gewalt zu schützen.

Ein weiterer wichtiger Schritt muss zudem die zügige Verabschiedung der Richtlinie gegen geschlechtsspezifische Gewalt sein, zu denen das Europäische Parlament und der Rat derzeit ihre Positionen vorbereiten. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten begrüßen wir auch, dass die EU-Kommission Schritte unternommen hat, um Hassrede als EU-Straftatbestand zu kriminalisieren. Aber: Genauso wie die EU-Ratifizierung der Istanbul-Konvention viel zu lange im Rat stillstand, steckt auch dieses Dossier im Rat fest. Die Mitgliedstaaten müssen daher endlich auch Hassrede in die gemeinsame Liste der EU-Verbrechen aufnehmen. In einem zweiten Schritt kann dann die Kommission den konkreten Gesetzesvorschlag vorlegen und Rat und Parlament den Vorschlag gemeinsam annehmen."

Täglich werden Frauen durch Partner, Ex-Partner oder Unbekannte geschlagen, bedroht und getötet. Laut EU-Kommission hat eine von drei Frauen ab 15 Jahren körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Im Jahr 2019 gab es in Ländern wie Griechenland, Slowenien, Deutschland und Italien laut dem dem Mediterranean Institute for Investigative Reporting einen signifikanten Anstieg von Femiziden. Expert*innen begründen diesen Anstieg unter anderem mit den Folgen der Pandemie.

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