Über den Stopp der Geschlechterforschung in Ungarn sprechen die Gleichstellungspolitikerinnen und Gleichstellungspolitiker des Europäischen Parlaments am Donnerstag, 8. November 2018, mit internationalen Vertreterinnen und Vertreter der Geschlechterforschung, darunter auch Professorinnen aus Deutschland. Die Regierung von Viktor Orbán hatte die Gender-Studies im vergangenen Monat aus der Liste der zugelassenen Masterstudiengänge gestrichen.
Das Aus der Gender Studies in Ungarn ist mehr als ein Richtungswechsel in der Gleichstellungspolitik. Damit stärkt die Orbán-Regierung diskriminierende Traditionen, die das Leben aller Frauen und Männer einschränken. Es geht um den Ausbau von Macht. Die konservative Administration greift in die Meinungsbildung ein, um das Denken der Menschen zu bestimmen. Hier wird ein Fach von oben herab aus dem Lehrplan gestrichen - ohne gesellschaftliche Debatte. Dies wirkt sich auf das tägliche Leben aller Menschen aus: Ohne freie Lehre, keine freie Meinung. Ohne Gleichberechtigung und Gleichstellung, keine Grundrechte. Das herrschaftskritische Potential des Studienfachs ist, gepaart mit der Kritik an einer patriarchalen Gesellschaft, offensichtlich ein besonderer Dorn im Auge Orbáns. Weitere Fächer können folgen, und auch auf anderen Ebenen der Gesellschaft muss weiter mit Einmischungen der Regierung gerechnet werden.
Absurde Kritik an der Geschlechterforschung flammt immer wieder auf, fällt in den europäischen EUMitgliedstaaten jedoch unterschiedlich aus. In Deutschland haben wir mit verbaler Kritik von rechts zu kämpfen. In Polen hingegen beobachten wir beispielsweise in den letzten Jahren eine mangelnde finanzielle Ausstattung des Studiengangs und auch von Frauenrechtsorganisationen.
Hauptsächlich ist es in Europa allerdings die ungarische Regierung, die dem Studiengang den institutionellen Kampf angesagt hat. Dass dieser nun bis zum Entzug der Akkreditierung gegangen ist, zeigt wie weit die ungarische Regierung in ihrem Versuch, die Gesellschaft umzustrukturieren, zu gehen bereit ist.