Offener Brief an die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion: Keine Anschaffung von Kampfdrohnen!

19. Oktober 2020

Liebe Genossinnen und Genossen, Aufrüstung und Krieg sind in den letzten Jahren zu einer wachsenden Bedrohung für die Menschheit geworden. Schon bevor Waffen eingesetzt werden, gefährdet und behindert die gegenseitige Hochrüstung die Bemühungen um ein menschenwürdiges, solidarisches Zusammenleben auf diesem Planeten: Der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, der Kampf gegen den Hunger und für die Rechte aller Menschen basieren auf internationaler Kooperation. Die Milliarden, die der Rüstungssektor verschlingt, fehlen für die Realisierung dieser Ziele.

Diese Fehlentwicklung ist in den letzten Jahren durch die Verbreitung von Kampfdrohnen in besonders zynischer und menschenverachtender Weise forciert worden. Die Ablehnung der Anschaffung von Kampfdrohnen durch den SPD Parteivorstand 2013 hat leider nichts an Aktualität verloren: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Parteispitze/20130610beschlusskampfdrohnen.pdf

Wir rufen Euch daher dazu auf, den Weg einer Politik des Friedens und der Entspannung der internationalen Beziehungen fortzusetzen, der mit dem Nein zur Anschaffung von neuen Atomwaffenfähigen Flugzeugen eingeschlagen ist und Euch gegen die zur Zeit diskutierte Anschaffung von Kampfdrohnen zu positionieren.

In der aktuellen Debatte gibt es einen Konsens über die Sozialdemokratie hinaus, dass Kampfdrohnen bereits heute zu einer Entgrenzung des Krieges führen und zu extralegalen Tötungen eingesetzt werden. Für viele Teile der Welt ist schon heute Realität, dass ohne Kriegserklärung jederzeit Morde angeordnet werden können und angeordnet werden. Die Ausweitung eines solchen dauerhaften Gewaltzustandes durch die Ausbreitung des Einsatzes von Kampfdrohnen wäre verheerend.

Die Argumentation der Befürworter von Kampfdrohnen ähnelt sehr der Argumentation für die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland: Wesentlich argumentiert zum Beispiel der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags nun damit, dass der Einsatz bewaffneter Kampfdrohnen nicht aufzuhalten sei und Deutschland in seinen Möglichkeiten militärisch mitzuhalten zurückbleiben und sich isolieren würde, wenn man sich diese Technologie nicht zulegen würde. So wird im Gutachten des Informationsdienstes des Bundestages darauf verwiesen, dass auch Schwarzpulver sich nach der Erfindung trotz seiner mörderischen Konsequenzen nicht habe aufhalten lassen.

Diese, im Kern zukunfts- und zivilisationspessimistische Argumentation, stellt die Geschichte auf den Kopf: In den Zeiten der Erfindung des Schwarzpulvers hat noch kein Kriegs- und Völkerrecht existiert. Die historische Erfahrung mit der Brutalität des Krieges hat in den letzten Jahrhunderten erst dazu geführt, dass globale Normen entwickelt wurden, mit denen es auch gelungen ist, eine wachsende Zahl von Waffen zu ächten und ihre Existenz und ihren Einsatz damit zurückzudrängen oder zu verhindern. So ist der Einsatz von „ABC“-Waffen (ABC steht für Atomar, Biologisch und Chemisch), Landminen und Streumunition mittlerweile völkerrechtlich verboten. In wenigen Monaten wird vermutlich der 50. Staat den Atomwaffenverbotsvertrag ratifizieren, womit ein Vertrag in Kraft tritt, der auch Entwicklung und Besitz von Atomwaffen ebenso ächten wird.

Im Fall von ABC-Waffen, Landminen und Streumunition hat die Menschheit erst die Erfahrung von hunderttausenden Toten machen müssen, bevor diese Waffen verboten wurden, obwohl das Wissen über ihre fatalen Auswirkungen vorher vorhanden war. Im Ersten Weltkrieg wurde der "Gaskrieg" propagandistisch als humanitär verkauft, er würde den Krieg verkürzen. Auch der Einsatz der beiden Atombomben 1945 sollte im Nachhinein so legitimiert werden. Heute wird behauptet, man bräuchte bewaffnete Drohnen für den Schutz der Soldaten.

Wir können und müssen daraus lernen und angesichts der bereits sichtbaren und wissenschaftlich erforschten fatalen Auswirkungen gegen die weitere Verbreitung von Kampfdrohnen und für ihre baldige Ächtung kämpfen. Wir können darauf setzen, dafür die Bevölkerung zu gewinnen. Die Ächtung von Kampfdrohnen wird weltweit und gerade in den USA von friedensbewegten Menschen gefordert. Sie setzen dabei auch auf uns und wir stärken diese Bewegung mit unserem "Nein" zur Bewaffnung von Drohnen. Auch gilt, was Dr. Christian Marxsen, vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, bei der Anhörung zu Kampfdrohnen im Bundestag am 5.10.2020 zum Ausdruck brachte: „Es ist auch richtig, dass ein technologischer Wettlauf schwerlich oder gar nicht durch einen einzelnen Staat aufgehalten werden kann oder durchbrochen werden kann, dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass die Begrenzung der internationalen Rüstung in Anbetracht gegenwärtiger Aufrüstungsbestrebungen ein zentraler Aspekt internationaler Friedenssicherung ist. Ich denke, es sollte hier nicht unterschätzt werden, dass auch vom Handeln einzelner Staaten und insbesondere auch vom Handeln der Bundesrepublik Deutschland erheblich Signalwirkungen im internationalen Bereich ausgehen könnten, die in Richtung einer glaubhaften Perspektive auf eine internationale Rüstungskontrolle wirken.“

Das Nein zur Anschaffung von Kampfdrohnen ist ein Ja zu internationaler Kooperation für die Lösung der Zukunftsfragen, dem Erhalt der menschlichen Lebensgrundlagen und der vollen Verwirklichung der Menschenrechte und ermutigt andere ebenso dazu.

Wir fordern euch deshalb auf, gegen die Anschaffung von bewaffneten Drohnen zu stimmen.

Initiatorinnen und Initiatoren:

Konrad Gilges, ehemaliger MdB aus Köln (SPD)

Cornelia Schmerbach, ehemalige Stadträtin für die KölnSPD

Wolfgang Uellenberg van Dawen, Koordinator der DL21 Köln

Wally Röhrig, Mitglied der KölnSPD

Friedhelm Hilgers, Vorsitzender der AG 60 plus der KölnSPD

Senta Pineau, Mitglied der KölnSPD

Reiner Hammelrath, ehemaliger stellv. Vorsitzender der KölnSPD Peter Förster, Mitglied der KölnSPD

Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner (Stand: 19.10.2020):

Maria Noichl, MdEP; Bundesvorsitzende ASF

Dr. Cornelia Östreich - stellvertretende Bundesvorsitzende ASF, friedenspolitische Sprecherin - ASF-Landesvorsitzende Schleswig-Holstein (SPD)

Michael Müller, Parl. Staatssekretär a. D. (SPD)

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