Ein deutsches Gesetz über die Sorgfaltspflichten in Lieferketten – noch für diese Legislaturperiode: so hat es die Bundesregierung am 12.02.2021 angekündigt. Wenn der undurchdringliche Widerstand der konservativen Seite in der Bundesregierung von Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller durchbrochen wird, mag man fast an Zeichen und Wunder glauben: Ein Sozialdemokrat und ein CSUler arbeiten Hand in Hand. Aber Zeichen und Wunder gibt es nur im Märchen. Hier sprechen wir vom Sieg der Verantwortung und der moralischen Verpflichtung.
Auch wenn noch Lücken zu schließen sind, der Grundstein ist gelegt. Man sieht sehr deutlich, an welchen Stellen die CDU bis zum Ende der Bremsklotz war:
Erstens sollten Sorgfaltspflichten für die gesamte Lieferkette gelten, da bei der Gewinnung von Rohstoffen wie Kaffee und anderen, aber zum Beispiel auch im Bergbau, oft Menschenrechts-Verletzungen oder Umweltschäden verursacht werden. Gut ist im Kompromiss, dass Unternehmen auf Beschwerden reagieren müssen.
Zweitens sollte die Lieferketten-Sorgfalt auch für kleine und mittlere Unternehmen in Risikobereichen gelten: Auch wenn ein kleiner oder mittelständischer Schokoriegelhersteller nicht die gleichen Kapazitäten hat wie multinationale Konzerne, trägt auch er Verantwortung. Deshalb muss eine EU-Gesetzgebung alle Unternehmen miteinbeziehen, dabei aber verhältnismäßig sein. Der Aktivitätsbereich des Unternehmens, seine Größe und der Umfang seiner Lieferkette müssen hierfür eine Rolle spielen.
Drittens braucht es auch eine zivilrechtliche Haftung. Unternehmen müssen für Schäden, die sie verursachen, geradestehen. Hier sehen wir die größte Schwachstelle, neben dem eingeschränkten Geltungsbereich.
Wer glaubt, wir im Europäischen Parlament wären untätig, irrt. Wir haben über unsere Forderungen zum EU-Lieferkettengesetz am 09. März 2021 abgestimmt (Berichterstatterin Lara Wolters, MdEP) – mit 504 Ja-Stimmen zu 79-Nein Stimmen und 112 Enthaltungen: Ein klares Signal.
Wir haben als wohlhabende Gesellschaften mit großem Binnenmarkt die moralische Verpflichtung und unternehmerische Verantwortung, Ausbeutung und Umweltschäden entlang der Lieferketten zu unterbinden. Unternehmen müssen diese Risiken systematisch erfassen, verhindern, unterbinden und Abhilfe schaffen. Dafür müssen sie auch Betroffene bei begründeten Beschwerdefällen anhören, ob Gewerkschaften, AnwohnerInnen oder Menschenrechtsorganisationen. Das ist doch nicht zu viel verlangt!
Handel findet heutzutage in weltweiten Wertschöpfungsketten statt – wenn wir faire Regeln für die Globalisierung schaffen wollen, muss dort unser Ansatzpunkt sein. Wir SozialdemokratInnen sind die treibende Kraft, um klare, verbindliche Verpflichtungen für Unternehmen im Bereich Menschenrechte und Umweltstandards zu schaffen. Diese müssen die gesamte Lieferkette abdecken, Transparenz schaffen und die Hebelwirkung unserer bestehenden Handelsabkommen und –instrumente nutzen. Auch dürfen Waren, die unter Zwangsarbeit hergestellt werden, nicht auf dem Binnenmarkt platziert werden können.
Deutschland hat sich, Dank Hubertus Heil, mit einem klaren JA zum deutschen Lieferkettengesetz positioniert. Jetzt haben wir auf europäischer Ebene nachgelegt. Deutschland wird als Motor für die europäische Lösung agieren. Nationale, progressive Positionierungen sind die Basis für gute europäische Gesetze. Somit ist zu hoffen, dass das europäische Lieferkettengesetz im EU - Ministerrat nicht blockiert wird, sondern mit einem JA aus Deutschland Wirklichkeit wird.