Legitimation der Agrarmilliarden wird weiter in Frage gestellt

10. April 2024

Am morgigen Donnerstag, den 11. April 2024, wird das Europäische Parlament über die Zulassung eines Dringlichkeitsverfahrens zu den sogenannten „Vereinfachungsvorschlägen“ der Europäischen Kommission zur Gemeinsamen Agrarpolitik abstimmen. Die Vorschläge bedrohen die Umweltambitionen der Europäischen Union.

Das Europäische Parlament muss sich gegen dieses Schnellverfahren wehren. Wir haben uns die Rolle als Mitgesetzgeber hart erkämpft und werden in diesem Schnellverfahren zum „Abnicker“ degradiert. Ein jahrelang verhandelter Kompromiss zu europäischen Ökologisierungsauflagen in der Gemeinsamen Agrarpolitik wird in wenigen Wochen auf Initiative der Konservativen (EVP) zerstört. In den Hauptrollen: Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber, die für einen ungeprüften Gesetzesvorschlag auch gerne die Stimme des einzig direkt gewählten EU-Organs übergehen. Eine demokratische Debatte und ausreichende Prüfung der weitgehenden Vorschläge der EU-Kommission sind in so kurzer Zeit nicht möglich.

Der Frust der Landwirt:innen ist nachvollziehbar - die Vorschläge der EU-Kommission sind es leider nicht. Hier werden berechtigte Maßnahmen für die Umwelt gegen die kurzfristigen Wünsche aus Teilen der Landwirtschaft ausgespielt. Die Vorschläge helfen weder den Landwirt:innen bei ihrem Kampf für einen besseren Preis für ihre Erzeugnisse, noch stoppen sie das Artensterben auf der Fläche. Mit den Vorschlägen der EU-Kommission könnten bis zu 9 Millionen Hektar pestizidfreies Land verloren gehen, einschließlich mehr als 1,4 Millionen Hektar an brachliegender Fläche. Das Artensterben wird sich demnach weiter intensivieren. Die Folgen werden auch unsere Landwirt:innen zu spüren bekommen. Schon heute gibt es auf 50 % der Anbauflächen in der EU, auf denen Pflanzen angebaut werden, ein Bestäubungsdefizit.

Die Legitimität des über 360 Milliarden Euro schweren GAP-Budget wird mit diesen Vorschlägen weiter in Frage gestellt. Denn diese Vorschläge schränken Anforderungen für die Auszahlung europäischer Steuergelder ein. Zudem würden mit den Vorschlägen Kontrollen und Sanktionen für kleinere Betriebe in einem bisher nie dagewesenen Ausmaß wegfallen. Insgesamt würde eine Fläche in der Größe von Deutschland nicht mehr kontrolliert und sanktioniert werden. Die Folgen für die Gesellschaft, für uns alle und unsere Umwelt, sind auch der Kommission wohl kaum klar, denn eine Folgeabschätzung des Vorschlags gibt es nicht

Zeitplan

Das Europäische Parlament wird am Donnerstag, 11. April 2024 über die urgent procedure (Dringlichkeitsverfahren) nach Artikel 163 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments zu den GAP-Vorschlägen abstimmen. Wenn das Dringlichkeitsverfahren eine Mehrheit erhält, wird im zweiten April-Plenum final über die Vorschläge abgestimmt.

Hintergrund

Um die GAP-Unterstützung zu erhalten, müssen Landwirt:innen eine Reihe von Standards einhalten, die der Umwelt und dem Klima zugutekommen. Dieser Grundsatz der Konditionalität gilt für fast 90 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche in der EU und spielt eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken. Diese grundlegenden Standards werden als GLÖZ bezeichnet, was „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand“ bedeutet. Die Vorschläge zielen in erster Linie auf die Aussetzung der Einhaltung einiger dieser Standards ab. Des Weiteren sollen Landwirt:innen mit einer Betriebsfläche unter 10 Hektar (ha) von Kontrollen und Sanktionen ausgenommen werden und die nationalen Strategiepläne bezüglich der Agrarpolitik der Mitgliedstaaten ab 2026 nicht mehr hinsichtlich reformierter Klima- und Umweltvorhaben angeglichen werden.

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