Ist das ihr Ernst, Herr Juncker?

10. September 2014

Vor wenigen Minuten kam der erste Vorschlag zur Berufung der neuen Kommissarinnen und Kommissare für die Europäische Kommission auf den Tisch. Schon seit Tagen hört man auf den Fluren des Europäischen Parlaments Namen und Positionen die teils auf Zustimmung treffen, teils Kopfschütteln auslösen.

Jetzt ist es amtlich.

28 Staaten in Europa werden durch 28 Personen in der EU-Kommission repräsentiert. So ist es ein Ausdruck des europäischen Miteinanders, dass jeder Staat, ob klein oder groß, ob Malta oder Deutschland eine/n Kommissarin oder Kommissar bekommt. Herr Junker hatte den Auftrag, dieses Team gemeinsam mit den Regierungschefs zusammenzustellen und uns (dem Parlament) einen Vorschlag zu unterbreiten. Jetzt liegen die Namen auf dem Tisch.

Doch zuerst zu den Zahlen:

28 Posten - 19 Männer und 9 Frauen ... dies braucht keinen Kommentar. Oder? 28 Posten - 14 für die Konservativen, 8 für die Sozialdemokraten, 7 für die Liberalen und 1 für die Rechtspopulisten.

Sicherlich fällt es nicht nur mir auf - schon der Blick auf die Zahlen sagt deutlich: diesen Auftrag haben die Menschen in Europa Herrn Junker nicht gegeben. Weder spiegelt der Vorschlag die Stärke der Sozialdemokratie in den nationalen Parlamenten wider, noch die Tatsache, dass über 50 Prozent der europäischen Bevölkerung weiblich sind.

Neue Gesichter und Namen:

Es sind sicherlich ernsthafte Europäer und Europäerinnen dabei, die Verantwortung übernehmen wollen und ihre Kraft zum Wohle der Menschen in Europa und für ein gutes Miteinander auf der Welt einsetzen. Herzlich willkommen. Ich wünsche ihnen viel Kraft und eine gute Hand.

Doch bei Dreien stellen sich mir die Haare auf:

  • Einen portugiesischen Marktliberalen Carlos Moedas für den Bereich Beschäftigung einzusetzen, ist für alle Menschen in Europa eine Provokation. Als ehemaliger Mitarbeiter bei Goldman & Sachs und Mitspieler in der Troika weist er mit keiner Zeile in seinem Lebenslauf nach, auch nur einmal für die Menschen und für die Beschäftigung gearbeitet zu haben. Er passt weder fachlich noch menschlich auf diesen Posten.

  • Dass sich in Slowenien Frau Alenka Bratusek selbst vorgeschlagen hat und ohne die wirkliche Zustimmung ihrer Regierung ins Amt will, ist untragbar. Wer keine echte Legitimation aus dem Herkunftsland mitbringt, gehört meiner Meinung nach nicht auf den Posten einer Kommissarin.

  • Doch beim ungarischen Vorschlag fehlen mir wirklich die Worte. Wer hat an der Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn mitgearbeitet? Wer stellt sich offen gegen Europa? Herr Tibor Navracsics hat definitiv nichts auf dem Sessel eines Kommissars verloren!

Und jetzt, Herr Juncker?

Die Anwärter auf die Positionen müssen sich die nächsten Wochen den Fragen der Abgeordneten im Europäischen Parlament stellen. Es gibt Hearings in jedem Ausschuss. Sie werden gegrillt, so lautet der inoffizielle Ausdruck dafür, dass sie auf Herz und Nieren, besser auf Herz und Verstand, getestet werden.

Uns als Abgeordnete kommt dann die Aufgabe zu, Rückgrat zu zeigen und Personen, die auf keinen Fall in Frage kommen, zu benennen. Dann ist eine nachträgliche Veränderung der Zusammensetzung noch vor der offiziellen Abstimmung möglich.

Abgestimmt wird im Parlament zum Schluss nur über die ganze Gruppe. Dann heißt es ja zu allen oder nein zu allen.

Bis dahin liegt viel Arbeit vor mir. Ich will offen auf die Hearings in meinen Ausschüssen zugehen und mit fachlichen Fragen meinen beiden Kommissaren auf den Zahn fühlen:

  • Phil Hogan, Irland, für Agrar und Ländliche Entwicklung und
  • Véra Jourová, Tschechien, für Frauen und Gleichberechtigung

Darüber hinaus werde ich die drei oben genannten nicht aus den Augen lassen und dann nach bestem Wissen und Gewissen abstimmen.

Personalvorschlag und Verteilung der Bereiche

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