In diesem Schneckentempo dauert es noch jahrzehntelang

29. Oktober 2021

Das Europäische Gleichstellungsinstitut EIGE hat heute den jährlichen Gleichstellungsindex veröffentlicht. Dieser zeigt die Entwicklung der einzelnen europäischen Mitgliedstaaten sowie der EU insgesamt in den Bereichen Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit. In diesem Jahr lag, auf Grund der Pandemie, ein Fokus auf dem Bereich "Gesundheit", inklusive der Auswirkungen auf die mentale, sexuelle und reproduktive Gesundheit von Männern und Frauen.

Wie in den vergangenen Jahren geht es nur im Schneckentempo voran. Wenn Europa nicht schneller wird, erreichen wir eine Gleichstellung frühestens im Jahr 2085. Die EU liegt nun insgesamt bei einem Wert von 68 von 100. Dies sind nur 0,6 Punkte mehr als im vergangenen Jahr. Die tatsächliche Gleichstellung in allen Bereichen lässt weiter auf sich warten. Die gute Nachricht: Die meisten EU-Mitgliedstaaten kommen voran, trotz der Corona-Pandemie und deren negativen Auswirkungen auf die Gleichstellung.

Unter allen europäischen Mitgliedstaaten nehmen die skandinavischen Länder erneut Spitzenpositionen ein. Besorgniserregend ist, dass viele Länder mit mangelnder Gleichstellung nur noch minimale Fortschritte erzielen. Polen und Ungarn zum Beispiel, haben sich im Vergleich zum Vorjahr nur marginal verbessert. Wenig überraschend, aber ein großes Problem: Die systematische Untergrabung der Frauenrechte durch die dortigen rechtskonservativen Regierungen wird die Uhr bald langsam, aber sicher, zurückdrehen. Doch während es hier wenigstens noch langsam vorrangeht, bewegt sich ein Land bereits rückwärts: In Slowenien hat sich die Gleichstellung im Vergleich zum Vorjahr verschlechtert - und das hauptsächlich auf Grund starker Verluste in den Bereichen Macht und Partizipation. Das Land mit der EVP-Regierung ist damit ein Sorgenkind in der EU.

Insgesamt sind die Themen Macht und Partizipation nach wie vor die Achillesverse im europäischen Vergleich. Hier müssen wir in Deutschland und der EU unbedingt nachlegen, denn ohne Frauen in Entscheidungspositionen, werden wir die Strukturen nur schwer nachhaltig ändern können. Ein Grund, endlich die sogenannte Women-on-Boards-Richtlinie zu verabschieden.

Deutschland ist zwar auf einem guten Weg, aber nach wie vor zu langsam. Eine Verbesserung von 1,1 Punkten macht noch lange keinen Frühling für die Gleichstellung. Frauen müssen sich auch in Deutschland in den Bereichen Wissen, Macht und Zeit weiter warm anziehen, denn hier liegen wir teilweise unter dem europäischen Durchschnitt und weit von dem Ziel der Gleichstellung entfernt. Zu Grunde liegt hier die nach wie vor starke Segregation und der starke Einfluss von Stereotypen. Die gesellschaftlichen Vorstellungen lassen Frauen hauptsächlich in bestimmten Bereichen arbeiten und am Ende an der gläsernen Decke scheitern. Außerdem bedeutet die nach wie vor mangelhafte Aufteilung von unbezahlter Arbeit, dass Frauen nur wenig Zeit für anderes haben – ganz im Gegensatz zu den Männern."

Der Gender Equality Index soll politische Entscheidungsträger*innen unterstützen, indem Bereiche mit dem größten Handlungsbedarf sichtbar werden. Der heute erschienene Index 2021 ist unter hier abrufbar.

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