Im Zweifel geht es um Leben und Tod

24. November 2015

Sexuelle und körperliche Angriffe gehören noch immer zum Alltag vieler Frauen in der Europäischen Union. Darauf weist der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen am Mittwoch hin.

Das Europaparlament wiederholt zu diesem Anlass seine Forderung nach einer europaweit einheitlichen Strategie, um die Gewalt gegen Frauen erfolgreich zu bekämpfen. Die Kommission muss endlich handeln.

Aktuelle Zahlen zeigen, dass im EU-Durchschnitt zwölf Prozent der Mädchen unter 15 Jahren eine Form des sexuellen Missbrauchs oder Übergriffs erlebt haben. Eine von 20 Frauen wurde seit ihrem 15. Lebensjahr bereits vergewaltigt. Mehr als die Hälfte der Frauen geben an, bestimmte Orte und Situationen aus Angst vor sexuellen und körperlichen Angriffen zu meiden. Wir halten uns in der EU für fortschrittlich und modern, aber was die Gleichstellung angeht, habe ich manchmal das Gefühl, dass wir noch im Mittelalter leben! Hier läuft etwas gewaltig schief.

Mit der Verabschiedung eines Entschließungsantrags im Juni 2015 haben wir Parlamentarier unseren Willen für eine Strategie sowie einen Rechtsakt zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen verdeutlicht. Die Kommission muss nun handeln, hat dies bisher jedoch nicht getan. Wir erwarten noch vor Ende des Jahres konkrete Ergebnisse. Denn im schlimmsten Falle geht es hier um Leben oder Tod – eine zögerliche Reaktion sollte sich daher niemand leisten.

Es gibt aber auch lobenswerte Schritte. Ich bin froh, dass Deutschland die Istanbul-Konvention unterschrieben hat - eine Konvention des Europarats, die Leitlinien für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen formuliert. Die Konvention schreibt beispielsweise vor, alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen: So wird ein Nein endlich als Nein anerkannt. Deutschland habe sich dazu verpflichtet, sich diesen Leitlinien anzupassen.

Die Diskussion in Bezug auf diese Veränderung des Strafrechts hat jedoch nicht nur die für Frauen und Opfer oft schwierige Rechtslage deutlich gemacht, sondern auch die teilweise mittelalterlichen Ansichten der Menschen. Deshalb muss sich auch in den Köpfen der BürgerInnen endlich etwas ändern. Gesellschaftlich wird die Gewalt gegen Frauen oft immer noch toleriert. Zudem muss uns bewusst sein, dass die Dunkelziffer nach wie vor weitaus höher liegt. Viele Frauen trauen sich nicht, Anzeige zu erstatten. Für viele ist das Thema nach wie vor ein Tabu.

Die Ratifizierung der Konvention durch andere EU-Mitgliedstaaten sowie durch die EU als Ganzes ist daher dringend erforderlich. Die Ratifizierung wird gerade von der Kommission geprüft und hat, zumindest in Teilen, gute Aussichten auf Erfolg.

Ich will die EU in diesem Kampf weiterhin an der Spitze wissen und fordere daher zusätzliche Anstrengungen. Wir brauchen nach wie vor eine einheitliche und effektive Strategie in der EU, um die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben. Denn nur in einer vollständig gleichgestellten Gesellschaft werden Frauen auch endlich frei von Gewalt leben können. Es ist daher weiterhin wichtig, in allen Bereichen des Lebens gleichzeitig für Gleichstellung und die Rechte der Frauen einzutreten.

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