Am gestrigen, dritten Tag, der Anhörungen der designierten Kommissarinnen und Kommissare, habe ich als Mitglied des FEMM-Ausschuss an zwei Anhörungen teilgenommen. Beide Kandidatinnen mussten sich sowohl den Fragen des FEMM-Ausschusses, als auch den Fragen anderer Ausschüsse, wie zum Beispiel dem Rechts- oder Beschäftigungsausschusses, stellen.
Der Tag begann mit der Anhörung der designierten belgischen Kommissarin Marianne Thyssen, die für die Bereiche Beschäftigung, Soziales, Qualifikationen und Arbeitskräftemobilität nominiert wurde, und ging danach weiter mit der designierten tschechischen Kommissarin Vĕra Jourová, die für den Bereich Justiz, Verbraucher und Gleichstellung zuständig sein soll. Während die Erste mit Themen der Geschlechtergerechtigkeit vor allem im Bereich der Arbeitsmarktpolitik konfrontiert wurde, stellten sich für Frau Jourová zahlreiche Fragen rund um Gleichstellung von Frauen und Männern als Grundrecht in der EU in allen Bereichen.
Marianne Thyssen machte während der Anhörung deutlich, dass ihre Prioritäten der nächsten fünf Jahre auf der Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Ausbau der sozialen Dimension der Arbeitsmarktpolitik liegen werden. Sie ging dabei nicht nur auf das Thema der Jugendarbeitslosigkeit und der Auswirkungen der Krise ein, sondern unterstrich auch die Wichtigkeit altbekannter Themen, wie zum Beispiel der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit innerhalb der EU. Diese sei auf lange Sicht nur durch mehr Transparenz bei den tatsächlich ausgezahlten Gehältern zu erreichen. Zudem müssten die bestehenden Gesetze endlich umgesetzt werden, neue dazu strebe sie nicht an. Auf die Frage nach ihrer Haltung zur Mutterschutzrichtlinie, die bereits seit mehreren Jahren auf dem Tisch des Rates liegt, gab sie zu bedenken, dass eventuell Abstriche bei der Dauer (zur Zeit werden in dem Entwurf der Richtlinie 20 Wochen bei voller Bezahlung festgelegt) gemacht werden müssten, um die nötige Zustimmung der Mitgliedsstaaten zu erreichen. Sie betonte danach, dass sie sich selbst als Feministin sehe und auch Jean-Claude Juncker, der Präsident der Europäischen Kommission, auf der Seite der Frauen stehe.
Insgesamt ist mir positiv aufgefallen, dass die belgische Christdemokratin immer wieder unterstrich wie wichtig die soziale Dimension ihres Arbeitsbereiches sei, und dass sie diese in die verschiedenen Handlungsfelder der Union zurückbringen möchte. Negativ hervorzuheben bleibt, dass sie sich nicht zu 100 Prozent zur Mutterschaftsrichtlinie und ihrer Durchsetzung bekannt hat und sogar bereit ist ihre Dauer, die vom Europäischen Parlament geforderten und abgestimmten 20 Wochen, zu diskutieren und eventuell zu verkürzen.
Auch in der zweiten Anhörung wurde die Frage nach dieser Richtlinie gestellt. Die designierte Kommissarin Jourová gab daraufhin ebenfalls an, dass sie sich für diese Richtlinie einsetzen werde. So auch in Bezug auf die Richtlinie zu Frauen in Aufsichtsräten börsennotierter europäischer Unternehmen. Sie hält die darin vorgesehene Quote für wichtig und nötig. Um diese beiden Richtlinien nicht nur wieder auf die Tagesordnung des Rates zu setzen, sondern auch dafür zu sorgen, dass beide verabschiedet werden, zeigte sie sich bereit mit den Mitgliedstaaten zu diskutieren und diese zu überzeugen. Auch die Ratifizierung der von vielen Frauenorganisationen geforderten Istanbul-Konvention plant sie noch in diesem Jahr voranzutreiben.
Leider bleibt insgesamt doch ein fahler Beigeschmack dieser Anhörung zurück: Jourová hat während der Anhörung deutlich gemacht, dass sie sich nicht für einen Fahrplan für die Rechte lesbischer, schwuler, bisexueller, transsexueller, transgender und intersexueller Menschen stark machen werde. Sie wird sich außerdem nicht in den eigenen Reihen, der Europäischen Kommission, für eine höheren Anteil an Frauen aussprechen. Zudem machte sie deutlich, dass sie Richtlinien und andere Gesetze nicht als Grundlage für gesellschaftlichen Wandel sehe, was mich vermuten lässt, dass sie sich als Kommissarin für Gleichstellung eher auf Strategien, Leitlinien und andere rechtlich nicht verbindliche Übereinkünfte konzentrieren wird.
Mir fällt es leicht der designierten Kommissarin Marianne Thyssen meine Zustimmung auszusprechen, während ich zugeben muss, dass Frau Jourová aus feministischer Perspektive weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Ich hoffe dennoch, dass beide designierten Kommissarinnen, falls sie in ihrem Amt bestätigt werden, zu ihren Versprechungen stehen und sowohl die Mutterschutz- als auch die Frauen in Aufsichtsräte-Richtlinie zurück auf den Tisch des Rates bringen werden. Die Frauen Europas wünschen sich nun von beiden ein Zeichen, dass Gleichstellungspolitik in der EU nicht nur ein Thema von vielen ist und sich die Europäische Politik aktiv für diese einsetzt.