Zum heutigen Abschluss des EU-Sondergipfels hat mich das Oberbayerische Volksblatt (OVB) interviewt:
Ja, das war mir klar. Es standen Themen auf der Tagesordnung, die außergewöhnlich waren: Gemeinsame Kreditaufnahme – zum ersten Mal, Wiederaufbaufonds - in extremer Höhe und die Koppelung an Rechtsstaatlichkeit. Das braucht seine Zeit.
Ich denke, bereits getroffene Urteile oder Vorurteile werden verfestigt. Diejenigen, die in der EU nur den Streit sehen und suchen, werden „Zerstrittenheit“ in die Überschriften schreiben. Diejenigen, wie ich, die Europa als die beste Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft sehen, werden sich positiverer Worte bedienen. Für mich vermischt sich die Erleichterung über eine Einigung mit der Wut auf manche egoistische Staats- und Regierungschefs.
Zu aller erst, niemals gab es den Plan, dass Zuschüsse völlig ohne damit verbundene Aufgaben vergeben werden sollten. Wir sind doch nicht blöd. An die Themen Zuschüsse und Kredite möchte ich anders herangehen. Beispiel: Das Nachbarhaus brennt ab, die Nachbarn kommen zum Essen und Übernachten für 3 Wochen. Soll der Nachbar dies zurückzahlen oder nicht? Das ist der Knackpunkt. Wenn die Corona-Krise als Schicksal ohne Eigenverschulden eingestuft wird, dann ist es ein Teil der Solidarität, Zuschüsse statt Kredite zu geben. Der ursprüngliche Vorschlag war: 2 Teile Zuschüsse, ein Teil Kredit. Jetzt heißt es 390 Milliarden an Zuschüssen zu 360 Milliarden Kredit, also fast 1:1. Das ist das letztmögliche Ergebnis gewesen. Vielleicht haben es einige immer noch nicht verstanden: Italien und Spanien gehören zur Verwandtschaft!
Etwas genauer: Nicht Deutschland hat diesen Schritt immer abgelehnt, sondern die CDU-CSU. Vielleicht ist das das einzig Historische an diesen Verhandlungen. Schäuble hatte noch 2008/2009 gesagt: „Wir helfen nur, wenn Griechenland seine Häfen verkauft, seine Flughäfen veräußert, die Renten kürzt und das griechische Sozialsystem zerstört.“ Erinnern sie sich noch: Bilder von Angela Merkel mit Hitlerbart in Griechenland? Jetzt hat es die CDU/CSU begriffen, dass wir gemeinsam helfen müssen. Eine gemeinsame Kreditaufnahme ist hier ein richtiger Schritt.
Ich erwarte, dass alle Gelder von Europa lückenlos und ehrlich kontrolliert werden. Wer Gelder grundsätzlich nicht nach den Regeln einsetzt, muss klare Sanktionen bekommen, die wehtun. Europagelder sind Gelder von uns Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Dies muss für alle EU-Gelder gelten, ob für Pang, Polen oder Portugal.
Sparsamkeit ist nur die eine Seite der Medaille. Diese Länder haben teils sehr egoistisch einen Bonus für sich selbst herausgeholt. Ich sehe ein Gegengewicht zur deutsch-französischen Achse nach und nach entstehen. Es sind kleine Staatengruppen (u.a. „die sparsamen Vier“, Visegrad-Staaten), die ihre Gestaltungs- oder Blockademacht entdeckt haben. Eine neue Situation, wir werden lernen damit umzugehen.
Unbedingt. Die Frage ist, ob wir es schaffen, diese Gelder zielgerichtet einzusetzen.
Das ist der richtige Weg. Die EU hat zahlreiche Aufgaben, aber (fast) keine Eigenmittel. Wenn Importe in die EU in Zukunft mit einer C02-Abgabe belegt werden würden, ist dies ein richtiger Schritt, um zu verhindern, dass „schmutzige Herstellung“ außerhalb der EU passiert und damit die europäischen Wirtschaft und Landwirtschaft unlauter unterbietet. Dies wäre eine europäische Initiative, mit europäischer Wirkung, mit europäischer Kontrollaufsicht – folgerichtig müssten solche Gelder als europäische Eigenmittel in den Haushalt fließen.
Erst muss ich den Kompromiss mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der S&D-Fraktion besprechen und abschließend bewerten. Ich habe dazu in dieser Woche einige online-Sondersitzungen. Ein Punkt ist mir besonders wichtig: Die Koppelung der Gelder, sei es der Haushalt oder das Coronageld, an Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Wer diesen Dreiklang bricht, muss die Strafe dafür auf seinem Kontoauszug sehen. Hier bin ich wenig kompromissbereit.
Hier der Artikel in der OVB online Ausgabe vom 21.07.2020