Die EU-Kommissionspräsidentin stellt heute, am 04.09., die Ergebnisse des sogenannten Strategiedialogs Landwirtschaft vor. In dem Dialog hatten sich verschiedene Interessensgruppen, etwa Landwirt:innenverbände, Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen und Genossenschaften unter dem Vorsitz des deutschen Wissenschaftlers Peter Strohschneider über die Zukunft der Agrarpolitik in der EU ausgetauscht.
Der agrarpolitische Dialog ist wichtig, wie eh und je. Schade, dass dieser bei den zuletzt im April durchgedrückten ‚Vereinfachungsvorschlägen‘, die zum Schaden der Natur und des Klimas gingen, nicht geführt worden ist. Offen bleibt, ob diese Dialogbereitschaft in Zukunft erhalten bleibt oder ob jetzt ein Alibi-Papier vorliegt, auf dem sich die Kommissionspräsidentin ausruht. Denn die Realität ist, dass einige der nun vorgestellten Empfehlungen bisher von der Kommission und der konservativen EVP von Ursula von der Leyen im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments immer wieder abgelehnt wurden.
Dieses Dialogpapier muss zuallererst der EVP-Vorsitzende und CSU-Mann Manfred Weber auf sein Nachtkästchen legen. Die progressive Seite des Parlaments war und ist für Dialoge offen, die rechte Seite jedoch verspricht den Landwirt:innen, sie vor vermeintlicher Brüsseler Bürokratie zu ‚schützen‘ und wirft dabei eine nachhaltige Zukunftsperspektive für Landwirt:innen und Umwelt über Bord.
Die Umgestaltung der Direktzahlungen, der sogenannten Flächenzahlungen, wird zum Beispiel seit Langem von uns Sozialdemokrat:innen gefordert. Wenn eine punktgenauere Honorierung von gesellschaftlichen Leistungen zukünftig an die Stelle der Flächenzahlungen treten soll, hat die Kommissionspräsidentin uns an ihrer Seite. Bisher war das aber mit der EVP im Europäischen Parlament nicht zu machen.
Die Expertenkommission unterstreicht endlich auch die Notwendigkeit zum Schutz und zur Wiederherstellung von Ökosystemen. Die aktuellen Bemühungen um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft seien unzureichend. Diese Erkenntnis kommt zu spät für die gestrichenen Umweltanforderungen zur Auszahlung von Direktzahlungen vom April dieses Jahres, aber rechtzeitig, um jetzt ein Umsteuern in Richtung 'Gemeinsam statt gegeneinander' einzuläuten. Wenn die Kommissionspräsidentin die Empfehlungen der Kommission ernst nehmen möchte, muss die EVP endlich konstruktiver, statt populistisch mit der Gemeinsamen Agrarpolitik umgehen.
Hintergrund
Im Bericht wird ein umfassender Rahmen für die Zukunft der Landwirtschaft in der Europäischen Union skizziert, der den Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Verantwortung legt. In Europa teilt sich die Gruppe der Menschen in der Landwirtschaft auf circa 50 Prozent selbständige Landwirt:innen und 50 Prozent abhängig Beschäftigte. Positiv ist daher zu sehen, dass die tausenden angestellten Mitarbeiter:innen durch die Europäische Föderation der Gewerkschaften des Lebensmittel-, Landwirtschafts- und Tourismussektors repräsentiert worden sind.