Brexit - eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit

24. Juni 2016

Ich bin so enttäuscht.

Der Wahlkampf des Brexitlagers war geprägt von Übertreibungen, Lügen bis hin zu Hass. Ein Hass, dem sogar die britische Abgeordnete Jo Cox zum Opfer fiel. Es liegt auf der Hand, dass die Europagegner den Bürgerinnen und Bürgern die echten Konsequenzen des Ausstiegs hinter Hass und Nationalismus versteckt haben.

Die Britinnen und Briten profitieren durch die Entscheidung zum Brexit nach dem rechtskräftigen Austritt nicht mehr von den vier Grundfreiheiten in der Europäischen Union: freier Personenverkehr, freier Warenverkehr, freier Dienstleistungsverkehr sowie freier Kapitalverkehr.

Jetzt heißt es kühlen Kopf bewahren und alles dafür zu tun, dass der EU-Austritt nicht das Ende der langen Friedenszeit in Europa bedeutetGroßbritannien ist natürlich noch immer Mitglied der NATO und auch ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates, aber in diesen Zeiten wird es am Tisch der EU-Diplomatie mehr als fehlen.

Wie es mit Großbritannien und der EU nun direkt weiter gehen wird ist noch unklar. Tatsache ist, dass Großbritannien weder an der Währungsunion, noch an der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik oder dem grenzfreien Schengenraum teilnahm. Zudem wurde dem Land 1984 ein Rabatt auf die Beitragszahlungen gewährt, der sich bis heute laut EU-Kommission auf mehr als 100 Milliarden Euro summiert. Nach dem Referendum wird sich entscheiden, ob diese Sonderbeziehung innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union weiterentwickelt wird.

Es sind sieben Optionen denkbar, wie die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien ausgestaltet werden können. Dies reicht vom „Speziellen Übereinkommen“ im Austrittsabkommen bis hin zum Ende der EU-Mitgliedschaft ohne Nachfolgeregelung. Bis wann dies alles geklärt sein wird, ist ebenso unklar, da es sich hier um einen Präzedenzfall handelt. Offiziell spricht man in der Kommission von einer zweijährigen Frist, in der ein Austrittsvertrag zwischen der EU und dem ausgetretenen Mitgliedsstaat ausgehandelt wird. Bereits wenige Tage nach dem Referendum kann diese Frist beginnen. Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates geht jedoch von 7 Jahren aus, bis sämtliche Angelegenheiten geklärt sind.

Auch die Situation der Europaabgeordneten aus Großbritannien ist unklar. Sie werden nicht sofort gehen müssen, doch könne man davon ausgehen, dass ihnen keine wichtigen Funktionen mehr anvertraut werden. Die S&D Fraktion verliert 20 ihrer Mitglieder, im Gegensatz zur EVP-Fraktion, die keinen einzigen Abgeordneten verliert. Dennoch wird es keinen Rechtsruck geben, sondern man kann eher von einem Linksruck sprechen. Einem angenommenen linken Lager aus S&D, Grünen, ALDE und GUE fehlten dann nur noch 6 Stimmen zu absoluten Mehrheit.

Doch dieser scheinbare Erfolg für das angenommene linke Lager ist nichts im Vergleich, was Europa verlieren wird. Im Parlament verlieren wir viele geschätzte Kolleginnen und Kollegen, deren Herzblut Europa war. Was dies für Europa an sich bedeutet, wage ich mir noch gar nicht vorzustellen. Der Begriff Frexit liegt bereits in der Luft. Für Großbritannien ist es auf alle Fälle ein Weg - aber in diesem Fall eher eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit.

Bildquelle: FAS, 19.06.2016

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