ArbeitnehmerInnenrechte erstmals in einer Agrarreform verankert

21. Oktober 2021

Mitglieder verschiedener Verbände aus dem Agrarbereich waren der Einladung der Rosenheimer SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl am vergangenen Samstag nach Traunstein gefolgt. Fachkundig erläuterte die agrarpolitische Verhandlungsführerin der S&D-Fraktion im Europäischen Parlaments drei zentrale Punkte zur aktuellen Agrarreform ehe in gepflegter Stammtischmanier diskutiert wurde.

Der größte Streitpunkt sei gewesen, so Noichl, die Gelder für Flächen aus der ersten Säule der Agrarförderung zu kappen. Bereits vor den Trilogverhandlungen zur Agrarrefom – zwischem Europäischen Parlament, EU-Kommission und Europäischen Rat – hätten sich die Regierungschefs, um den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und der Bundeskanzlerin Angela Merkel, auf höchster Ebene gegen eine verpflichtende Kappung der Flächengelder ausgesprochen. Die Fürsprecher für eine Kappung, darunter auch die SPD-Europaabgeordnete, verloren daher in den Verhandlungen. Somit werden zukünftig 75 Prozent der Gelder der Ersten Säule nach Fläche gezahlt.

Maria Noichl am Agrarstammtisch in TS

Ein zweiter Punkt war das Bestreben, 30 Prozent der Flächengelder für die Bezahlung von öffentlichen Leistungen zu verwenden. Dabei geht es um die sogenannten Eco-Schemes, die zukünftig Klima-, Umwelt- und Tierschutz in der ersten Säule den LandwirtInnen ein Einkommen bescheren soll. Das Parlament konnte sich dabei nicht mit seiner ambitionierten Haltung von 30 % durchsetzen. Zudem können Gelder aus den Eco-Schemes in die Flächenzahlungen zurückgeschoben werden, falls diese nicht von den LandwirtInnen abgerufen werden. „Die Agrarreform ist eine Stillstandsreform. Das macht es den EU-Mitgliedstaaten für die gesamte Periode abermals möglich, weniger klimafreundliche Anreize zu setzen. Aus grünen Geldern werden graue Gelder“, so Noichl.

Ein Lichtblick findet sich dennoch in der Agrarreform: Was mit einem abgelehnten Änderungsantrag der Rosenheimer SPD-Europaabgeordneten im Agrarausschuss des Europaparlaments über ein Mindestmaß an ArbeitnehmerInnenrechten begann, endete nach langen Verhandlungen mit einem Erfolg im Trilog. Werden Beschäftigte in landwirtschaftlichen Betrieben ausgebeutet, wird dies in Zukunft erstmals sanktioniert. Bei Verstößen werden EU-Fördergelder gekürzt. Das Sozialdumping schwarzer Schafe wird nun nicht mehr mit EU-Geldern belohnt. Anständige Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen in der Landwirtschaft müssen keine Konkurrenz durch Lohndumping mehr fürchten.

Dieser Lichtblick, der in den künftigen Reformen bestehen und weiterentwickelt werden soll, ist für Noichl dennoch kein Grund, der aktuellen Agrarreform zuzustimmen. „Ich habe mein Bestes gegeben für eine wirklich enkeltaugliche Reform. Die konservativen Kräfte waren jedoch zu stark, die Kompromisse zu schwach und verwässert, so dass ich diese Reform in der kommenden Abstimmung im Europäischen Parlament ablehnen werde. Es braucht einen Schritt nach vorne, nicht fünf Schritte zurück,“ erklärte Noichl.

Die verwässerten Ergebnisse würden auch auf Bundesebene ihre Kreise ziehen: „Wenn beim Referentenentwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums, wer in Deutschland ein Anrecht auf die 25 Prozent für öffentliche Leistungen aus der Ersten Säule haben sollte, keine Absprache vorab mit dem Bundesumweltministerium getroffen wird, kann man nur sagen – Frau Klöckner, es wird Zeit, dass Sie den Schlüssel fürs Bundeslandwirtschaftsministerium an den Nagel hängen“, so Noichl.

In der anschließenden Stammtischdiskussion wurde über verschiedene Probleme diskutiert und Anregungen für eine zukunftsorientierte Agrarpolitik gegeben.

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