Abmahnung in Sachen Gleichstellung

26. Oktober 2016

Gleichstellung erreicht sich nicht von alleine. Es ist ein harter Kampf, der nur mit den richtigen Gesetzen, Sanktionen und einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung über Stereotype und ihre Auswirkungen zu gewinnen ist. Zu lange hat man sich in Sicherheit gewogen, es würde einfach immer weiter in die richtige Richtung gehen.

Die Kluft zwischen den Geschlechtern ist so groß wie seit 2008 nicht mehr. Diese Tendenz wird auch in Deutschland und anderen Ländern der EU spürbar. Das ist der Rückwärtsgang, den die Frauenrechtsbewegung seit Jahren befürchtet hat.

Dabei ist eines der größten Probleme die fehlende politische und wirtschaftliche Teilhabe von Frauen. Bei vielen Entscheidungen, die die Situation von Frauen verbessern, aber auch verschlechtern können, sitzen Frauen nicht mit am Tisch. Auch innerhalb der EU kennen wir diese Situation nur zu genau. Im EU-Durchschnitt sind nach wie vor nur sieben Prozent der Aufsichtsratsvorsitzenden und 23 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder weiblich. Und seit Jahren wird eine Richtlinie, die die Anzahl der Frauen in Aufsichtsräten erhöhen könnte, blockiert.

Ähnliches gilt in Bezug auf das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU. Obwohl das Prinzip der gleichen Bezahlung für gleichwertige Arbeit seit den 1970er Jahren in der EU rechtlich geregelt ist, liegt der Unterschied im EU-Vergleich noch immer bei ca. 16 Prozent. Auch das ist eine Zahl, in die in den vergangenen Jahren nicht viel Bewegung gekommen ist. Die EU muss den Mitgliedstaaten genauer auf die Finger schauen und endlich Sanktionsmöglichkeiten prüfen. Wenn eine Richtlinie fast 50 Jahre existiert und ihre Wirkung sich noch immer nicht vollends entfaltet, dann läuft etwas falsch.

Im internationalen Vergleich steht Westeuropa insgesamt ganz vorne. Bis zur weltweiten Erreichung der Gleichstellung sagt das Weltwirtschaftsforum 170 Jahre voraus. In Westeuropa sollen bis zum Erreichen dieses Ziels nur 47 Jahre vergehen. Dies sollte für Westeuropa aber kein Grund zur Freude, sondern ein Arbeitsauftrag sein: Unsere Bemühungen müssen allen Frauen auf dieser Welt gelten. Keine von uns kann es sich leisten, noch 47 geschweige denn 170 Jahre, zu warten.

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